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                                           griechischer Germane“,

 

 

 

 

die alter Synagogenmalerei entstammen

 

 

 

 

                                                Strauss und Mahler

 

 Mahler vom Tonband statt Strauss mit einem Klarinettenlauf: So hat „Salome“ noch nie begonnen. Krzysztof Warlikowski inszeniert die Oper nach dem Drama von Oscar Wilde bei den Münchner Opernfestspielen.

 

 

 

 

 

                                                                                                        garniert mit Pasolini-Assoziationen

 

 

Plácido Domingo saß als Gast in der Intendantenloge und starrte den ganzen Abend über in den Orchestergraben. Der Mann hat einen Sinn fürs Wesentliche. Auch unsere Ohren staunten permanent über das, was da aus dem Graben kam. Wie konnte ein „Salome“-Orchester so leise, so durchhörbar klingen? Die Chrysolithe, Rubine und Hyacinthsteine, die Herodes seiner Stieftochter verspricht, um das Leben des Propheten Jochanaan zu retten, waren plötzlich blank geputzt. Und auch die anderen Diamanten, die Richard Strauss in seiner Partitur versteckt hat, kamen funkelnd zur Geltung.

Kirill petrenko muss hart mit dem Bayerischen Staatsorchester gearbeitet haben. Es geht ja nicht nur um die Dynamik, sondern um strukturelle Bezüge, feinste Farbvaleurs und maximale Geistesgegenwart in einem sich permanent verändernden Geflecht von Tempi und Instrumentalstimmen. Das alles kam überwältigend heraus. Da flossen orchestrale Virtuosität und ein Klangbewusstsein ineinander, das sich auf die Entstehungszeit des Stückes bezog, als Orchester noch ganz anders klangen als heute – weit fragiler nämlich und dezenter.

Marlis Petersen als Salome machte sich diese Voraussetzungen zunutze, setzte auf Textnuancen und subtile Piani, blieb Silbe für Silbe verständlich. Ihre Stimme hat nicht das von Strauss geforderte „kräftigste Metall“, ist eher von anmutig weicher und genuin warmer Färbung. Aber sie ist geschult und gestählt an Uraufführungen von Henze bis Reimann, an Belcanto und an barocker Beweglichkeit. So wächst diesem Rollendebüt eine große, unkonventionelle vokale Wandlungsfähigkeit und Vielschichtigkeit zu. Was man von den anderen Sängern leider nicht sagen kann. Michaela Schuster, die Herodias* zum Beispiel, bedient Klischees geradezu hemmungslos. Wolfgang Koch als Jochanaan singt geradlinig, diszipliniert, aber auch einschichtig. Pavel Breslik als Narraboth fehlt es an lyrischem Schmelz.

Diffuse Deutungsperpektiven

So hat „Salome“ noch nie angefangen. Normalerweise hören wir einen hochzüngelnden Klarinettenlauf. Zwischen Moll und Dur changiert das, vor allem aber im Tritonusabstand der Tonarten. Gemalt wird eigentlich nur das Aufziehen des Vorhangs, und doch steckt in dieser Klangzelle die Architektur des ganzen Einakters – bis hin zu jenem gleißenden Cis-Dur, in dem Salomes Liebesduett mit einer Leiche gipfelt.

Jetzt aber, bei der Eröffnung der Münchner Opernfestspiele, hören wir eine andere Musik. „Nun will die Sonn‘ so hell aufgehen“, singt es – leicht verfremdet – vom Band. Stimmt: Mahlers „Kindertotenlieder“. Noch so eine Ikone des Fin de Siècle. Auch sie erzählt davon, dass das Geheimnis der Liebe größer ist als das Geheimnis des Todes. Mahler wollte die „Salome“ an der Wiener Hofoper spielen, was von der Zensur verhindert wurde. Strauss und Mahler, das sind nicht nur Kollegen und Rivalen, sondern auch Haltungen und personifizierte Extreme. Der eine ahnt als assimilierter Jude die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts voraus und fasst sie in Musik, der andere versteht sich überzeitlich als „griechischer Germane“, unterschätzt die Nazis und lässt sich mit ihnen ein.