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                 Auf Edouard Manets Gemälde "Konzert in den Tuilerien" lauschen die Parkbesucher dem Klang von Paris

  

 Von Kracauers Verfahren, Musikgeschichte als Gesellschaftsgeschichte zu erzählen, profitiert auch Hagedorns Buch. Doch hat er Kracauer ganz entschieden das profunde musikologische Wissen voraus.

Und damit eine Akzentsetzung, die dazu führt, dass sein „Klang von Paris“ sich unter der Hand auswächst zu einer geist- und kenntnisreich arrangierten Analyse des deutsch-französischen Musiktransfers. Der empfangende Teil ist dabei – Überraschung! – hauptsächlich Richard Wagner, der heimliche Held (oder besser: Antiheld?) des Buches.                                                  

Hagedorn umkreist raffiniert den kleinen, ehrgeizigen Herrn aus Sachsen. Er zeigt ihn im Gespräch mit seinem damals noch weit berühmteren Landsmann Heinrich Heine, eine Szene, die man mit Heinrich Mann „Empfang bei der Welt“ überschreiben können; sehr amüsant, sehr maliziös ist dieses Kabinettstück.

Hagedorn zeigt Wagner aber auch antichambrierend bei dem Komponisten Meyerbeer sowie dem Musikalienhändler Schlesinger, beide ebenfalls Juden, die sich ihm gegenüber überaus hilfreich erweisen, ihn fördern, unterstützen, wo sie nur können.

Doch sie haben ihn arm und bedürftig gesehen, was ihnen der spät Arrivierte nie verzieh. Er rächte sich bekanntlich für erwiesene Wohltaten in seiner unrühmlichen Kampfschrift „Das Judentum in der Musik“ dafür, dass er den Juden so viel zu verdanken hatte.

 

Etwas glimpflicher ging er mit Anregungen und Inspirationen um, die von Hector Berlioz kamen. Für den hat Hagedorn anscheinend ein großes Faible. Er sieht in dem großen Unzeitgemäßen das französische Pendant zu Wagner, ihm gleich an Unkonventionalität und Leidenschaft sowie einem gewissen Hang zum Maßlosen.

Vor allem von Berlioz’ sinfonischen Dichtungen „Harold en Italie“ und „Benvenuto Cellini“ zeigt sich Wagner, als er sie um 1840 kennenlernt, tief beeindruckt, obwohl er auch diese Faszination später, in „Mein Leben“, relativiert. Aber zur Zeit des „Tristan“ scheint er sich noch vor allem zu seiner Bewunderung für Berlioz’ Oper „Roméo et Juliette“ zu bekennen.

 

„Tatsächlich hat er dieses Kunstwerk so genau studiert, dass er noch achtzehn Jahre später den magischen Moment der Liebesnacht, in dem sich um das E der Flöte noch A, C und Fis legen, um einen Halbton senkt zu jenem Akkord, den wir ,Tristanakkord’ nennen“, schreibt Hagedorn. Und fährt fort: „Er wird noch sehr gut wissen, woher er das hat, und Berlioz sogar ein Exemplar der Partitur des ,Tristan’ widmen: ,Au cher et grand auteur de Roméo et Juliette’.“

Anderes von Berlioz Angeregte finde sich im „Tannhäuser“, im „Lohengrin“, so Hagedorn: „Jede dieser Noten wird ihm später ein Grund mehr sein, die Pariser Zeit gegenüber dem Publikum als unergiebigste seines Lebens abzutun, während das Gegenteil der Fall ist.“

Einflussangst nennt man das in der Literaturwissenschaft. Sie steht der akkuraten Erinnerung im Weg, die Romano Guardini als Dankbarkeit des Herzens auffasste. Über weite Strecken liest sich daher Volker Hagedorns „Klang von Paris“ als eine nachgeholte Dankbarkeitsadresse an die Franzosen. Ja, wir Deutschen haben hier noch manche Schuld abzutragen. Wie schön, dass dieses Buch sich dieser noblen Aufgabe auf eine so begeisterte, begeisternde Weise unterzieht!

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=jpT-k8qS5mw

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